Donnerstag, 8. Januar 2015

Die Götter der Typografie

Sans, Serif, Script und Display. Die vier neuen Klassifikationen der Typografie wurden erst vor ein paar Jahren neu aufgelegt. Vorher wurde die Typografie in elf Klassen kategorisiert. Wenn man weiß, welche Klassifikation benutzt wurde, und ein gut-ausgeprägtes Schriftartenportfolio besitzt, so kann man mit einem einfachen Blick aufs Detail erkennen um welche Schriftart es sich handeln könnte. Das Zauberwort lautet enirstadu.


Wenn man eine Schriftart gestaltet und diese professionell konstruieren möchte, so beginnt man mit einigen ausgewählten Lettern, um die Ober- sowie Unterlängen und die X-Höhe erfassen zu können. „enirstadu“ sind diese ausgewählten Buchstaben, die einem in den Minuskeln aber auch in Majuskeln helfen können die Oberlängen zu bestimmen. Kurt Weidemann hatte in einem seiner letzten Interviews, bevor er verstorben ist, erzählt wie er die Corporate A, B und S erfand und konstruierte. Die Corporate die mir einzig bekannte Schriftart, die man nicht besitzen kann und deren Lizenz einzig der Daimler AG gehört. Sie besteht aus rund 12‘000 Zeichen und Glyphen und es kostete Weidemann eine viel Zeit sie herzustellen. 




Erik Spiekermann, Gründer von MetaDesign und der Fontshop AG, beschrieb den Herstellungsprozess so: 





Erik Spiekermann erfand die FF Meta, indem er zwei Wochen lang die Helvetika nachgezeichnet hat und diese versuchte nach mehreren Wochen aus dem Kopf nachzuzeichnen, mit dem Gedanken eine neue Schriftart zu erstellen. So entstand die FF Meta und FF Meta Serif. Beides hochgepriesene Schriftarten die bei jedem Gefallen finden. Man kann sagen, dass Spiekermann die neue Helvetica (nicht zu verwechseln mit Helvetica Neue!) erfunden hat. Unter zahlreichen Unternehmen findet die FF Meta ihr Zuhause im Corporate Design der Stadt Berlin. 


Laut den beiden deutschen Typografie-Meistern Spiekermann und Weidemann, können Schriftarten auf unterschiedlichste Art und Weise zum Leben erweckt werden – je nachdem welche Klassifizierung man wählt. Möchte man eine Scriptschrift entwickeln, so reicht meistens die Vektorgrafik von geschriebenen Buchstaben eines guten Kalligrafen. Bei einer Displayschrift ist es nicht dringend wichtig strukturiert und ruhig zu arbeiten, bei einer Sans jedoch umso mehr. Die Futura, als Beispiel, besteht rein aus geometrischen Formen (passend zur Erfindungszeit, 1927), welche die Bauhaus-Bewegung beeinflusste. 


Ich stelle hier zum Download meine eigene erste entworfene Schriftart jedem kostenlos zur Verfügung. Sie schimpft sich Serifhand und ist eine Displayschrift mit allen lateinischen Zeichen und einer Vielzahl an Glyphen. Sie ist nicht perfekt, aber sie war mein erstes Kind. Wenn man die Serifhand klassifizieren sollte, wäre es trotz verwirrenden Namen (eine Kombination aus Serif und Script/ Hand) eine Displayschrift. Die Serifhand besitzt leider auch nur einen Schnitt. 


FF Serifhand
(FF steht hier für Felix Fischer, nicht für FontFont)

DOWNLOAD


Welcher Schriftarten-Typ seid ihr eigentlich? Habt ihr Vorlieben?





Erläuterung zu enirstadu:

"He (Kurt Weidemann) had great ideas about type and book design. For example, he always started designing the most frequently used letters, in this order: enirstadu, and claimed that the other letters are much less important. His typefaces:

  • Biblica (1979). Commissioned by the German Bible Society.
  • The extensive Corporate A (serif), E (slab) and S (sans) series (1985-1990), available from URW(since 1998), MyFonts, and Berthold. The Corporate series was exclusively designed for DaimlerChrysler as a corporate font. URW++ enhanced the Corporate ASE family in regular, bold, italic, and bold italic by Greek, Cyrillic, and all additional Latin characters to cover Eastern Europe.Corporate ME for the Middle East was released by URW in 2012.
  • ITC Weidemann (1983, a digital version of Weidemann's Biblica face."


3 Kommentare:

  1. Die Götter der Schriften („Typografie“ und „Schrift“ müssen klarer voneinander abgegrenzt werden.) sind sicherlich nicht Spiekermann oder Weidemann. Die Götter der lateinischen Buchstaben sind die alten Römer! Zur Zeiten von Kaiser Augustus hatte die Schriftentwicklung eines ihrer wichtigsten Höhepunkte: Die Versalien haben endlich an Form gewonnen! In der Epigrafik oder im Typeface-Design wird dabei ausnahmelos die Trajanssäule (11/2113. n. Chr.) als Beispiel angeführt. Schau Dir mal diese Großbuchstaben an. Zweitausend Jahre alt und immer noch bestehend – das ist göttlich und einzigartig!

    Und jetzt nochmal zur Futura: Die Futura war eine Bewegung der elementaren Typografie aus den 20ern, die eine „Klarheit“ in der Schriftkunst bevorzugte. Man sollte keinen „Stil“ erkennen, sie sollten „elementar“ und „rein“ gestaltet sein. Renner traf diesen Nerv und entwarf die wunderschöne Futura! Noch was: Sie wirkt zwar, als wäre sie mit Zirkel und Winkel konstruiert worden. Allerdings ist sie das nicht und viel mehr ein Ergebnis von optischen Gesetzmäßigkeiten! Und: Die Bauhaus-Bewegung hat Futura inspiriert, aber nicht anders rum.

    Typografie ist so ein wunderschönes Thema, ich könnte ewig weiterschreiben ... aber jetzt mal im Ernst. Der absolute Mittelfinger an alle Schriftdesigner, Typografen oder Designer ist „Times New Roman“ als Beispiel für ne Serifenschrift zu nehmen. Kein Wunder, dass alle „Sans“ ankreuzen … Jenson, Garamond, Fleischmann, Didot, Baskerville, Walbaum und sooo weiter …




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    1. Danke für dein Kommentar!

      Ich stimme dir in fast jeder Hinsicht zu, auch wenn ich leider nicht weiß mit wem ich schreibe.
      Typografie ist ein wunderschönes Thema, ja, und ich hätte auch mit den elf Klassifikationen anfangen können - sie waren für mich essentiell -, mit dem alten Rom, Gutenberg, etc. Doch der Grund des Posts ist nicht die Entstehung der Schrift oder der Typografie, sondern das "huldigen" (entschuldige mein Übertreiben) der beiden Designer Spiekermann und Weidemann, welche, wie Weidemann beweist, etwas erschaffen haben, dass selbst nach ihrem Ableben noch immer präsent ist und bleiben wird. Das beste Beispiel deinerseits ist die Trajanssäule.

      Ich stimme dir lediglich nicht beim Thema der Futura zu. Natürlich ist die Futura wunderschön! Aber in der Moderne wird sie von Konkurrenten wie der Brandon Grotesque oder anderen erschlagen. Die Futura Condensed Black wird gerne benutzt um billige Werbebroschüren noch billiger wirken zu lassen - daran ist unsere Gesellschaft schuld. Und als Renner sie '27 als Prototyp einer "geometrisch-konstruierten" Familie erschuf, beeinflusste die Futura die Bauhaus-Bewegung. Ich sag nicht, dass es der alleinige Verdienst der Futura ist, aber sie hat ihren Teil dazu beigetragen.

      Zur Times New Roman:
      Ich verstehe dich gut. Wirklich. Aber es ist ein Blog für interessierte Laien. Hauptsächlich. ;-)
      Wenn man sich eine Schriftart vorstellt, dann ist dies nicht dringend die Helvetica oder die Din oder die Officina, oder oder. (Ich rede von der Zielgruppe ;-) ) Nein, es ist leider die Times. Ich habe gerne Alternativen zur Times, und ja, es gibt viele und wundervolle (alleine die Eames lässt mein Herz höher schlagen) Substitute zur Times.

      Dennoch. Die Times New Roman ist mitunter der Baskerville, Didot und Garamond, die meist benutzte Schriftart für Bücher/ Romane. Deswegen fiel die Wahl auf die Times. Ich habe selber meine Lieblingsfonts, aber sie hier zu "verschwenden" wäre zu grausam.

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  2. Versteh mich nicht falsch. Ich schließe mich nicht der Mehrheit an, das Times "blöd" ist. Stanley Morrison hat sie nicht ohne Grund entworfen... aber gerade weil dies ein "Laien"-Blog ist, würde ich zum Beispiel die Garamond (Variante von Robert Slimbach für Adobe) vorstellen, damit Deine Besucher mal andere Serifenschriften kennenlernen. Die Gesellschaft bzw. das Marketing ist auch ein interessantes Thema ... nur durch Werbung konnte Helvetica es so weit schaffen. :-)

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